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TIERISCH

PETRUS UND DIE FALKEN

Keine Frage: Die Tiere fehlen ihm. Auch im hohen Alter von 83 Jahren würde Friedrich Wilhelm Petrus noch gerne Hühner, Gänse oder Hunde betreuen, Seehunde und Seevögel retten. Der ehemalige Tierpfleger der Wilhelma in Stuttgart muss aber in der kleinen Mietwohnung an der Friedrich-August-Straße auf Haustiere verzichten.

MOIN NR. 4 · 2020

Der bekannte Robben-Retter und Elefantenflüsterer (MOIN 2/2020) – ein Leben für die Tiere. Prägend, aber rundum positiv sein Erlebnis im Jahre 1968, als der Wangerooger erstmals in Kontakt mit »abgetragenen« (dressierten) Greifvögeln trat. »Diese Flugvorführungen haben mich so fasziniert, dass es mich bis heute nicht mehr losgelassen hat«, ist seine Begeisterung immer noch spürbar.

Petrus weiß: »Die Falknerei hat Friedrich II nach Europa gebracht, und er hat seine Diplomaten auf Falkenhöfe geschickt, damit sie Geduld lernen.«

Geduld ist vor allem erforderlich, will man eine vertrauensvolle Beziehung zu Adlern oder Falken aufbauen. Und die lernte Friedrich Wilhelm Petrus auf Burg Hohenbeilstein, als ihn ein Kriegsveteran, ein Ritterkreuzträger, in dieser edlen Kunst, die aus dem arabischen Raum kommt, aus­bildete.

Die Liebe zur Falknerei brachte dem ansonsten eher zurückhaltenden Wangerooger Petrus Fernsehauftritte mit dem großartigen Tierfilmer Horst Stern und mit Jochen Richert, dem Vater der Fernseh-Lotterie, sowie die Bekanntschaft mit dem dämonischen Schauspieler Lukas Amman und dem fidelen Wolfgang Völz, die eine Folge von »Graf Yoster« auf Hohenbeilstein drehten.

»Die Vögel wiegen nicht viel, aber wenn sie zurück auf den Handschuh kommen, dann steckt beim Anflug eine unglaubliche Wucht dahinter.«

SCHWERER UNFALL MIT FOLGEN VOR 50 JAHREN

Was für eine, das spürte Petrus erst, als er 1970 als Beifahrer in Ostfriesland einen schweren Unfall erlitt und einen erheblichen Hüftschaden davontrug. »Da war ich lange Zeit nicht mehr in der Lage, einen heranfliegenden Adler aufzunehmen.« Seit 1970 lebt Friedrich Wilhelm Petrus, der seit 60 Jahren mit seiner Frau Annelore verheiratet ist, wieder auf Wangerooge, führte 36 Jahre lang im Westen das Restaurant »Harle Hörn« und blieb dabei den Greifvögeln treu. »Horus« und »Kyra« hießen die beiden Falken, die der begeisterte Tierpflege in großzügig angelegten Volieren hielt, betreute und natürlich auch in freier Natur fliegen ließ.

Ein leises Hobby, passend zu dem stillen Tierfreund, der zwar die Tageszeitung und die MOIN liest, ansonsten aber bis auf die von ihm geführten Inselbegehung (Wattführungen und Radtouren zum Westen hat er altersbedingt aufgegeben) kein Freund von großen Menschenansammlungen ist.

DIE TURMFALKEN

Keine Frage: Der ältere Herr kennt sich immer noch bestens aus im »Tierparadies Wooge«. »Leider hat die Zahl der auf der Insel lebenden Vögel stark nachgelassen«, knurrt der kritische Petrus, der immer die vorhandenen Missstände angeprangert hat. Aber er freut sich, dass es in diesem Jahr 2020 wieder mehr Spatzen gibt.

Und ihn freut es, dass es immer noch Turmfalken gibt, die in ihren Häuschen im Freuerwehrturm und oben im Westturm Nachwuchs bekamen. Ja, Turmfalken sind beliebt auf Wangerooge.«

Das Nest im Westturm habe ich mit dem unvergessenen Ornitologen Hans-Rudolf Henneberg 1953 angebracht. Mit Henneberg vom Mellumrat verbinde ich die Zeiten, als auf Wangerooge noch die Betreuung der Vögel groß geschrieben wurde. Es war meine vorerst letzte Tat auf Wangerooge, danach ging ich nach Stuttgart.«

Der Turmfalke bevorzugt hochgelegene Brutplätze. Auf diese Vorliebe ist wohl auch sein Name zurückzuführen. Der wissenschaftliche Name falco tinunnculus bedeutet »schellend, klingend« und hängt mit den charakteristischen Rufen zusammen.

Wie erkennt man, ob sich Männchen oder Weibchen in der Inselluft befinden? Sie unterscheiden sich optisch. Ältere Männchen haben einen hellgrauen Kopf und einen rotbraunen Rücken mit kleinen dunklen Flecken. Der Schwanz ist ebenfalls hellblaugrau mit einer schwarzen Endbinde. Die Unterseite des Körpers ist gelblich mit Längsstreifen und kleinen dunklen Tropfenflecken. Beim Weibchen dagegen sind Kopf, Rücken und Schwanz rostbraun gefärbt mit dichter dunkler Fleckung und Querbänderung. Seine Körperunterseite ist stärker gefleckt als beim Männchen.

KLEINSTE GREIFVÖGEL

Der Turmfalke ist rund 35 Zentimeter groß und gehört damit in Deutschland zu den kleinen Greifvögeln. Seine Spannweite beträgt 75 Zentimeter. Im Flug sind die Vögel an ihren langen spitzen Flügeln zu erkennen und natürlich an ihrem charakteristischen Rüttelflug.

Interessant: In Deutschland gibt es mehr als 380.000 Jäger, doch nur rund tausend gelten als aktive Beizjäger, die mit einem Greifvogel statt mit dem Gewehr losziehen. Schutzpatron der Jäger ist der Heilige Hubertus von Lüttich. Der Legende nach galt er als rücksichtsloser Jäger, bis ihm ein weißer Hirsch mit Kruzifix im Geweih begegnete. Die Weidmänner feiern jährlich am 3. November den Hubertustag.

Was ist es, das die Jagd mit dem Vogel so interessant macht? Petrus erklärt: »Falknerei ist kein Hobby wie andere, das ist eine Lebenseinstellung. Und sehr zeitaufwendig. Jeder Falkner braucht einen gültigen Jagdschein – ob privat oder gewerblich.

Auch in Deutschland gehört die Falknerei mittlerweile zum Weltkulturerbe. Die Beizjagd entstand vermutlich vor fast 4.000 Jahren in Zentralasien und gilt als eine der ältesten Jagdformen des Menschen. Der Falkner ist dabei ein Jagdgefährte, nicht der alles bestimmende Herr wie bei einem Hund. Das Zusammenspiel von Falkner und Vogel entscheidet über den Jagderfolg.

Meist sind Habichte, Wüstenbussarde oder Wanderfalken im Einsatz, wenn im Herbst die Saison für die Falkner beginnt. Und was halten die Naturschützer von der Jagd mit Vögeln? Die Entnahme von Wildvögeln zur Abrichtung für die Beizjagd war in der Vergangenheit ein wichtiger Gefährdungsfaktor für einige Greifvogelarten. In einigen Fällen mussten diese Greifvögel sogar rund um die Uhr vor Nesträubern bewacht werden.

»Der Naturschutzbund (NABU) ist der Falknerei gegenüber daher traditionell kritisch eingestellt«, sagt Nabu-Vogelexperte Lars Lachmann. »Heute besteht dieses Problem zumindest in Mitteleuropa aber kaum mehr.« So seien Falkner für den NABU inzwischen sogar wichtige Partner beim Schutz von Greifvögeln. »Die Falkner haben schließlich ein großes Fachwissen auf dem Gebiet der Greifvogelaufzucht.«

Und wie war das auf Wangerooge? Petrus: »Ich habe Adler, Gänsegeier, Mönchsgeier, Seeadler und Weißkopfseeadler im Westen der Insel ausschließlich zu Schauzwecken in Form von Flugvorführungen dressiert.« Zu Jagdzwecken hat er Steinadler und Kaiseradler ausgebildet.

Petrus erinnert sich gerne: »Es war eine schöne Zeit …«

TURMFALKEN

… gehören zur Ordnung der Greifvögel (Falconiformes). Diese besteht aus den Familien der Habichtsartigen (Accipitridae), der Fischadler (Pandionidae), der bei uns nicht vorkommenden Sekretäre (Sagittaridae) und der Neuweltgeier (Cathartidae) sowie der Falken (Falconidae). Die Familie der Falken wiederum teilt sich in die Gattungsgruppen der Zwergfalken und der »eigentlichen Falken« auf. Der Turmfalke gehört zu den »eigentlichen Falken«. Weitere Arten der Gattung sind Merlin, Rotfußfalke, Baumfalke, Eleonorenfalke, Wanderfalke, Gerfalke, Würgfalke und Rötelfalke.

Text: MANFRED OSENBERG

FOTOS: evelyn genuit + Privat

Quellen: NABU + WZ

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